Im allgemeinen Sprachgebrauch werden Dolmetscher oft als „Übersetzer“ bezeichnet, auch mal als „Simultanübersetzer“ oder „Synchronübersetzer“. Für viele Menschen ist der Unterschied zwischen den Berufen des Dolmetschers und des Übersetzers nicht ganz klar.
Und es gibt durchaus Ähnlichkeiten bezüglich der geistigen Leistung, die jeweils erbracht wird: Bei beiden Tätigkeiten wird eine Aussage sinnhaft in eine andere Sprache übertragen, es werden nicht einfach nur die Worte einer Sprache durch die Worte einer anderen Sprache ersetzt. Es gibt jedoch einige wichtige Merkmale, durch die sich die Berufe des Dolmetschers und des Übersetzers unterscheiden.
Was unterscheidet Dolmetschen vom Übersetzen
Der wichtigste Unterschied zwischen Dolmetschen und Übersetzen liegt in der Art der Sprachumwandlung und im Medium. Dolmetschen bezieht sich auf die mündliche oder gebärdensprachliche Übertragung von gesprochener Sprache in Echtzeit, meist bei Live-Veranstaltungen wie Konferenzen, Meetings oder Gerichtsverhandlungen. Im Gegensatz dazu ist das Übersetzen die schriftliche Übertragung von Texten, die eine detailliertere Analyse des Ausgangsmaterials und oft auch mehr Zeit zur Bearbeitung ermöglicht.
Während Dolmetscher daher in der Lage sein müssen, schnell und präzise zu arbeiten und sich mündlich gut auszudrücken, müssen Übersetzer über hervorragende schriftliche Fähigkeiten in der Ausgangs- und Zielsprache verfügen und oft tiefer in den Kontext des Ausgangstextes eintauchen.
6 Punkte, die zeigen: Dolmetschen ist nicht Übersetzen
1. Kontext
Dolmetscher arbeiten mit dem gesprochenen Wort in einem bestimmten Kontext, wobei sie eine mündliche Nachricht von einer Sprache in eine andere übertragen. Der Dolmetscher nutzt daher bestimmte Ressourcen der mündlichen Rede: Die Botschaft wird in gesprochenen Worten übertragen, mit einem bestimmten Rhythmus und einer gewissen Intonation, wobei rhetorische Mittel sowie Mimik und Gestik des Redners für den Dolmetscher wichtige Hinweise auf die beabsichtigte Wirkung liefern.
2. Echtzeit
Eine Verdolmetschung wird in Echtzeit (simultan) oder in sehr kurzem zeitlichen Abstand (konsekutiv) erbracht. Im Gegensatz zu Übersetzern haben Dolmetscher keine Zeit, den Ausgangstext nochmals durchzusehen oder ihre Übersetzung ggf. zu korrigieren. Dadurch wird für Dolmetscher die gründliche inhaltliche Vorbereitung vor jedem Einsatz zu einem zentralen Aspekt ihrer Arbeit.
3. Geschwindigkeit
Eine weitere Einschränkung besteht in der extrem hohen Geschwindigkeit, in der Dolmetscher gefordert sind, Informationen aufzunehmen, zu verstehen, mental zu verwalten und zu rekonstruieren. Übersetzer haben typischerweise ein Pensum von 2000 bis 3000 Wörtern am Tag, während Dolmetscher mit etwa 150 Wörtern pro Minute klarkommen müssen.
4. Interaktion
Beim Dolmetschen besteht eine unmittelbare Kommunikation und Interaktion zwischen Redner, Zuhörer und Dolmetscher. Beim Übersetzen gibt es einen zeitlichen und räumlichen Abstand zwischen dem Verfassen eines Textes durch einen Autor, der schriftlichen Übertragung in eine andere Sprache und der Aufnahme durch den Leser.
5. Verwendung
Die unterschiedliche Verwendung des Endproduktes ist ebenfalls ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Die Schriftform der Übersetzung macht sie sozusagen zu einem Dokument „für die Ewigkeit“. Übersetzer feilen an ihren Werken, bis sie sprachlich vollkommen sind; oft wird eine Übersetzung im Vier-Augen-Prinzip auch noch von einem anderen Kollegen korrekturgelesen.
Eine Verdolmetschung hingegen ist für den Moment bestimmt, für eine spezifische Situation in einem spezifischen Kontext. Es ist klar, dass ein Dolmetscher kaum die sprachliche Perfektion erreichen kann, die ein Übersetzer mit quasi unbegrenzter Zeit für die gleiche Rede in Schriftform liefern könnte. Dafür kann ein Dolmetscher unterschiedlichste atmosphärische Nuancen, die in der mündlichen Rede mitschwingen, in die Verdolmetschung einfließen lassen. Aufgrund dieser Kontextgebundenheit ist auch davon abzuraten, eine aufgezeichnete Verdolmetschung einfach abzutippen und als Übersetzung der Ausgangsrede zu verbreiten.
6. Teamwork
Schließlich arbeiten Dolmetscher im Gegensatz zu Übersetzern fast immer in einem Team und sehen sich täglich anderen Menschen gegenüber, die in verschiedenen Konstellationen kommunizieren und eine situativ passende Kommunikationsleistung des Dolmetschers erwarten. Dolmetschen ist also nicht so sehr ein Sprachenberuf als ein Informations- und Kommunikationsberuf.
Entsprechend dieser ungleichen Tätigkeitsprofile gibt es auch jeweils eigene Berufsverbände für Übersetzer und Dolmetscher; Konferenzdolmetscher haben sich z. B. in dem internationalen Berufsverband AIIC zusammengeschlossen. Nichtsdestotrotz bieten viele (aber nicht alle) Dolmetscher auch Übersetzungsleistungen an und fühlen sich in beiden Tätigkeiten wohl.
Wenn Sie also eine ähnliche Anfrage wie der eingangs erwähnte Praktikant erhalten sollten, können Sie ganz einfach bei aiic.de im Profil der jeweiligen Dolmetscher und Dolmetscherinnen einsehen, ob sie auch Übersetzungen oder andere Dienstleistungen anbieten.
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