In Memoriam – Yoko Teichler

Als ich die Nachricht vom Ableben unserer Kollegin Yoko Teichler erhielt, konnte ich es zunächst gar nicht fassen. Denn obwohl mir bekannt war, dass sie seit langem an einer schweren Krankheit litt, war sie doch für mich und meine berufliche Karriere immer eine „ewige“ Konstante gewesen.

Das erste Mal begegnet bin ich ihr am 8. November 1987, als das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) seine Eröffnung feierte. Als jüngste Angestellte im JDZB war ich gerade dabei, meine ersten Gehversuche als Dolmetscherin im Sprachenpaar Deutsch-Japanisch zu machen. Damals hieß es, dass man Deutsch und Japanisch nicht simultan dolmetschen könne, da sich in beiden Sprachen die Kernaussagen (Verb/Prädikat) am Satzende befänden. Umso erstaunter war ich, dass beim großen Festakt im Theater des Westens die vielen Ansprachen von Frau Teichler und Herrn Yoshimura (aiic-Kollege, der jetzt in Tokyo arbeitet) simultan gedolmetscht wurden. Neben dem Präsidenten des Deutschen Bundestages und dem Regierenden Bürgermeister hat SKH Prinz Naruhito – der jetzige Kronprinz, der am 1. Mai 2019 den Thron besteigen wird – eine Ansprache gehalten. Eine Erinnerung, über die ich mich gerne noch mit Frau Teichler ausgetauscht hätte.

Das JDZB ist eine Stiftung, die die deutsch-japanische Zusammenarbeit auf dem wissenschaftlichen Gebiet fördert. Dazu wurden nach der Eröffnung wissenschaftliche Tagungen veranstaltet, die anfangs allesamt konsekutiv gedolmetscht wurden. Weil jedoch alle Referenten unserer Tagungen so viel zu sagen hatten, reichte die Zeit oft nicht aus. So kam es dazu, dass Frau Teichler und ich, während einer Tagung mitten im laufenden Betrieb beschlossen, vom konsekutiven zum simultanen Dolmetschen zu wechseln. Damit hat Frau Teichler mir den Weg zur Konferenzdolmetscherin eröffnet.

Besonders in Erinnerung ist mir das deutsch-japanische Autorinnentreffen (10.-12. Oktober 1990) geblieben: Der Moderatorin, die selbst fließend Deutsch und Japanisch sprach, schien unsere Verdolmetschung nicht sonderlich überzeugt zu haben, so dass sie das Mikrofon ausgeschaltet und das Gesagte selbst zusammenfasste. Daraufhin verließ Frau Teichler die Kabine und wendete sie sich energisch an die Moderatorin: So ginge das nicht. Wenn wir Dolmetscherinnen keinen Ton in der Kabine hätten, könnten wir dem Geschehen im Raum nicht folgen. Wenn die Moderatorin der Meinung sei, ihre Botschaft sei nicht korrekt in die andere Sprache transferiert worden, dann solle sie diese solange wiederholen, bis sie ein für sie zufriedenstellendes Ergebnis bekäme. Wir Dolmetscherinnen würden solange dolmetschen, bis ein derartiges Ergebnis vorläge. Diese Episode zeigt: Frau Teichler war eine beeindruckend starke und energische Frau.

Jahre später, als ich sie um eine Bescheinigung für eine Vollmitgliedschaft bei der aiic bat, bekam ich von ihr ein Schreiben – es war noch vor der Internetära – mit der Frage zurück, ob ich denn die „Professional Standards“ und den „Code of Professional Ethics“ eingehend gelesen und verstanden hätte. Frau Teichler war eben auch eine strenge Lehrerin. Als erstes aiic-Mitglied im Sprachenpaar Deutsch-Japanisch hat sie stets auch im Bewusstsein der Weiterentwicklung ihres Berufsstandes gehandelt.

Ganz besonders auch deshalb gilt mein Dank und meine Verbundenheit Yoko Teicher, die am 16. März 2019 in ihrer zweiten Heimat Kassel/Deutschland verstarb.

Fujiko Sekikawa