Der 7. Dolmetscher-für-Dolmetscher-Workshop im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB), Juli 2016

Dolmetscher für Dolmetscher-Workshop , 2016

Das Timing zählt: Eine Reise durch Sprachen und O-Töne. Der 7. Dolmetscher-für-Dolmetscher-Workshop im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB)

Von wegen verflixtes siebtes Jahr: Die siebte Ausgabe des seit 2010 jährlich stattfindenden Workshops „Dolmetscher für Dolmetscher“ erwies sich erneut als ein Höhepunkt des Fortbildungsangebots der AIIC Region Deutschland. Die Themen dieser Seminarreihe reichen von neuen Technologien über juristische Fragen für die Angehörigen freier Berufe bis hin zu konkreten Techniken am Mikrofon. Beispiele sind individuelles Stimmtraining, die besonderen technischen Anforderungen an die Video- und Datenleitung für professionelles Ferndolmetschen (Remote Interpreting, RI), intelligente Glossare für Fachterminologien oder das Urheberrecht in Bezug auf die in jeder Verdolmetschung enthaltenen Übersetzungsleistung.

Erstmals auch andere Berufsgruppen

Nach Stationen in Frankfurt (2x), Berlin, Köln (2x) und Freiburg fand der 7. Dolmetscher-für-Dolmetscher Workshop der AIIC Region Deutschland im Juli 2016 wieder in Berlin statt. „Für Berlin hatten wir uns etwas Besonderes vorgenommen. Wir wollten erstmals andere Berufsgruppen einladen, die ebenso wie wir Konferenzdolmetscher ebenfalls Kommunikation ermöglichen und mit ihrer Arbeit verbessern. Dazu haben wir Voice-Over-Übersetzer, Schrift- und Gebärdensprachendolmetscher, Visual Facilitator und Konflikt-Moderatoren eingeladen“, so Almute Löber, Fortbildungsreferentin der AIIC Region Deutschland. Die Vorträge gaben Einblicke in für viele Kunden sinnvolle und attraktive Formen von Live-Kommunikation, aber auch in die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Tätigkeiten. „Jede Konferenz, jedes Event, jede Gerichtsverhandlung, die wir dolmetschen, mischt verschiedene Formen von Kommunikation: sprachliche und visuelle Inhalte, konfrontative oder konstruktive Formen von Auseinandersetzungen. Es ist daher für Konferenzdolmetscher wichtig, sich weiterzubilden und potenziell knifflige Situationen vor dem Einsatz in der Dolmetschkabine schon einmal durchdacht zu haben. Dazu dient der Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen und Kollegen, aber auch der Blick über die Berufsgrenzen.“

Dolmetscher als Medienschaffende?

Denn Dolmetscher übertragen nicht nur Inhalte von einer Sprache in eine andere. Sie navigieren durch die verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Welten und kreieren dabei selbst neue Medien, können also mit Fug und Recht als „Medienschaffende“ bezeichnet werden. Bei jedem Dolmetscheinsatz übertragen sie dabei gesprochene Inhalte – den Original-Ton – in ein neues, eigenes Medium: die „zweite Tonspur“, eine nahezu zeitgleich gesprochene, sinngetreue Übersetzung. Zentrale Beiträge des Workshops widmeten sich dem Medium Film, das viele Berührungspunkte zur gesprochenen Sprache aufweist: Wie man sie versteht, ist abhängig vom Kontext. Sieht man sich zum Beispiel einen Film ohne Ton, ohne Bild oder in der Originalsprache an, fehlt jeweils eine der sich ergänzenden Bedeutungsebenen und damit oft der Schlüssel zum Verständnis. Ohne Geräusche sieht man Personen agieren, ohne den akustischen Kontext zu erfahren, oder man versteht die Originalsprache und damit die Dialoge nicht. Ohne Bild entsteht trotz Tonspur ein nur lückenhafter Hörfilm. Ergänzende Texte und ein neuer Sprecherton, der per „Voice-Over“ über den Original-Ton gelegt wird, können diese Lücken füllen. Im Fernseh- und Filmbereich werden daher für verschiedene Zielpubliken unterschiedliche, zum Teil neue Verfahren der (Live-)Untertitelung und des Voice-Overs eingesetzt. Einerseits, um die Inhalte barrierefrei senden oder aufführen zu können und andererseits, wie Bettina Arlt (Düsseldorf) vorstellte, um die Charakteristika des Originalbeitrags auch in einer teil-synchronisierten Fassung beizubehalten. Katja Schulten (Köln) gab eine Einführung in die klassische Untertitelung des Dialogs bzw. Sprechertons von Spiel- und Dokumentarfilmen sowie in die aktuell zunehmende Live-Untertitelung von TV-Sendungen für Hörgeschädigte. Die Verfahren der „Audio Description“ von Spiel- und Fernsehfilmen für Sehbehinderte und der Untertitelung für Hörbehinderte erläuterte Andreas Gründel (Berlin). Obgleich jede Technologie und jedes Verfahren eigene Anforderungen an Redakteure, Übersetzer, Sprecher und Untertitler stellt, kristallisierten sich Gemeinsamkeiten heraus: Voraussetzung sind überall die perfekte Kenntnis der Muttersprache und ihrer rhetorischen Register zwischen Hoch- und Umgangssprache, die Präzision und Genauigkeit der Formulierungen sowie die strikte Beachtung des Timings von Dialog, Bild- und Tonschnitt des Originalmediums.

Schrift- und Gebärdensprachendolmetscher

In der Live-Situation des Gebärdensprachendolmetschens, die Andreas Menzer (Oberschleißheim) darstellte, kommen noch weitere Elemente hinzu, die ebenfalls die Arbeitsweise von Konferenzdolmetschern charakterisieren, wie etwa eine gute Konzentrationsfähigkeit, das Verstehen und Antizipieren von Botschaften und deren Übertragung in eine andere Kommunikationsform. Schriftdolmetscher, die Daniela Eichmeyer (München) vorstellte, übertragen beispielsweise im Hörsaal Vorlesungen live für Hörgeschädigte in Schriftform auf den Bildschirm, und Live-Untertitler sprechen in den Sendeanstalten Dialoge von Live-Talkshows in eine Sprachsoftware ein, die die Untertitel im TV-Bild generiert. Der wichtige Unterschied zum Konferenzdolmetschen: Alles spielt sich in einer Sprache ab. Auch hier gilt es jedoch, unterschiedliche Kommunikationskontexte zu beachten.

Perspektivwechsel: Moderation und Visual Facilitation

Botschaften zu empfangen, zu dekodieren und in die Sprache des Gegenübers zu übersetzen, zählt zu den in der universitären Ausbildung von Dolmetschern fest verankerten Kompetenzen – und wie Imke Trainer (Moderatorin und Dolmetscherin, Köln) herausstellte, zu den Anforderungen an Moderatoren, die in Konfliktfällen in Unternehmen, Schulen oder Familien wieder Verständigung ermöglichen. Anders als die Konferenzdolmetscher steuern Moderatoren den Kommunikationsprozess und streben einen Perspektivwechsel der Beteiligten an. Der Erweiterung des Blicks ist auch die Aufgabe eines Visual Facilitators wie Silke Smida (Berlin), die Vorträge oder Diskussionen grafisch protokollieren. Ein bedeutender Unterschied zum Konferenzdolmetscher liegt bei den Nutzungsrechten: Wie Ignacio Hermo (AIIC-Konferenzdolmetscher und Synchronsprecher, Berlin) erläuterte, stellen unerlaubte Mitschnitte einer Verdolmetschung eine Verletzung des Urheberrechts dar: Die zweite Tonspur ist wie ein eigenes Medium zu behandeln, dessen Nutzungsrechte erworben werden müssen.

Effizientes Terminologiemanagement

Fachausdrücke bedeuten für Dolmetscher einen hohen Zeitaufwand bei der Vorbereitung eines Einsatzes. Für jedes neue juristische, politische, wirtschaftliche oder wissenschaftliche Themenfeld bereiten Konferenzdolmetscher das Fachvokabular strukturiert in Glossaren auf. Nur ein Beispiel ist die Offshore-Windenergieerzeugung. Die Umspannplattform eines Offshore-Windparks kann im Englischen mit „offshore substation“, „converter platform“ oder auch „transformer platform“ bezeichnet werden. Ein Glossar erleichtert die Zusammenführung und Differenzierung von Fachbegriffen und die konsistente Nutzung der Begriffe bei der Verdolmetschung im Team. Dan Kenig, AIIC-Konferenzdolmetscher aus Israel, stellte das Software-Tool „Intragloss“ vor, das über die intelligente Einbindung von Suchfunktionen automatisiert aus beliebig vielen Webseiten und Dokumenten die Grundlage von Glossaren erstellt.

 

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Konferenzdolmetscherinnen Kristina Lange und Sarah King (v.l.n.r.)

Tandem-Teams

Um sich in neue Gebiete einzuarbeiten, empfiehlt sich für Konferenzdolmetscher das „Tandem-Team.“ Zwei Kolleginnen mit unterschiedlichen A-Sprachen (meist die Muttersprache), die idealerweise jeweils die C- oder B-(Fremd-)Sprache des anderen Tandemmitglieds darstellt, bilden ein Fortbildungs-Tandem. Mit der regelmäßigen gegenseitigen Verdolmetschungen von online verfügbaren und spezifische ausgesuchten Reden, Pressekonferenzen oder Fachvorträgen erschließt sich das Tandem das Dolmetschen neuer Felder. Sylvie Kuenen (Berlin) und ihre per Video zugeschaltete Tandem-Kollegin Sarah Tiemann (Berlin) stellten die Methode vor. Jeder Dolmetscher, der sich für die Tandem-Arbeit interessiert, findet auf den Fortbildungsseiten der AIIC Informationen zur Tandem-Arbeit unter und kann sich über die Fortbildungsreferentinnen in die Liste aufnehmen lassen. Den Abschluss des diesjährigen DfD gestaltete Conrado Portugal (Hamburg). Dolmetschkabinen sind notorisch eng, warm und allgemein als Arbeitsplatz „stressbelastet“. Mit Hilfe einfacher Yogaübungen stellte der AIIC-Nachwuchsreferent vor, wie Konzentrationsfähigkeit und Körperspannung selbst für beengte Sitzberufe auch im Arbeitsalltag immer wieder aufgefrischt werden können.

Insgesamt erwies sich das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB) als idealer Ort für den Erfahrungsaustausch: Perfekte organisatorische Bedingungen und die ideale Ausstattung mit fest eingerichteten Dolmetscherkabinen, die die Simultan-Verdolmetschung des Workshops durch das Team Sarah King (Köln), Stefan Eich (Saarbrücken), Kristina Lange (Berlin), Christoph Stegmann (Berlin), Susanne Schneider (Berlin), Julia Rönnau (München) und Ingrid Behrmann (Berlin) zu einem Vergnügen machte.