Brave New World

Dolmetscher-Kabine

Ca. 15 Teilnehmer haben am 15. und 16. Juni 2019 ein beeindruckendes Seminar in Hamburg zum Thema RSI (remote simultaneous interpreting) erlebt. Das Seminar war das letzte in einer Reihe von vier Veranstaltungen zum Thema RSI und war speziell für beratende Dolmetscher gedacht.

Zum Rahmen: Top-Organisation durch die Fortbildungsbeauftragten von AIIC und VKD, exzellentes Ambiente, lehrreiche Inhalte, sehr informative Präsentationen, hands-on bzw. words-on Dolmetsch-Training, Konfrontation mit neuesten Technologien, ideale Teilnehmerbesetzung („junge Hüpfer und alte Hasen“), kurzum: erschlagen von so vielen Superlativen und Informationen traten die Teilnehmer zufrieden ihre jeweilige Rückreise an.

Die Federführung für das Seminar hatte Klaus Ziegler. Mit großem Detailwissen brachte er allen Teilnehmern nicht nur eindrucksvoll die Funktionsweise von RSI nahe, sondern nahm ihnen gleichzeitig auch noch etwaige Ängste vor dieser neuen Technologie. In Zusammenarbeit mit einer auf RSI spezialisierten Technikfirma war vor Ort ein Konferenz-Hub inkl. Dolmetschkabinen aufgebaut worden und so konnten alle Teilnehmer eine RSI Situation in den verschiedenen Rollen (Sprecher, Zuhörer, Dolmetscher) erproben. Obwohl die Technik noch einige hick-ups aufwies und auch die Bedienung der verschiedenen Gerätschaften zunächst gewöhnungsbedürftig erschien, fanden sich die Teilnehmer relativ zügig in diese Situation ein.

Dolmetscher-Hub in Hamburg
Dolmetscher-Hub in Hamburg

In den nachbearbeitenden Workshops wurden Technik, praktische Umsetzung von Hubs für RSI (Anmietung, Anschaffung, etc), Kunden– und Dolmetscherbedürfnisse und –anforderungen, verbandsseitiger Umgang mit RSI (PR, Fortbildung u.ä.), juristische und wirtschaftliche Implikationen und Aspekte etc. so intensiv diskutiert, dass die Köpfe rauchten, die Kaffeemaschinen non-stop arbeiteten, der CO2-Ausstoß vor lauter Denken und Reden vermutlich in die Höhe getrieben wurde und…die Debatten kaum enden wollten.

Eines der Highlights – neben der praktischen RSI Erfahrung – war ein Vortrag von Naomi Bowman, (Konferenzdolmetscher- und (RSI)Technik-Expertin aus USA), die von Brüssel aus zugeschaltet war. Auch hier wurde RSI erprobt und Naomis Vortrag wurde von vier wunderbaren Seminar-TeilnehmerInnen aus dem Englischen ins Deutsche und Italienische gedolmetscht und selbst unser „Test-Spaziergänger“ Klaus Ziegler konnte auf einem ca. 20 minütigen organisatorischen Rundgang entlang der Alster, bewaffnet mit seinem Smartphone und Kopfhörern, dem Vortrag von Naomi sowie auch der Verdolmetschung quasi lückenlos folgen.

Was haben wir gelernt:

RSI ist keine weit entfernte Brave New World, sondern ist bereits Realität (Naomis Beispiele aus USA waren beeindruckend) und wir können uns dieser als KonferenzdolmetscherInnen nicht verschließen. Kunden werden früher oder später auf den Zug dieser neuen Konferenz-Technologie aufspringen, insbesondere größere Strukturen mit IT-Abteilungen, die mit technikaffinen jüngeren Generationen besetzt sind. Gerade beratende DolmetscherInnen sollten von daher solide Grundkenntnisse dieser Technologien besitzen. Dies sollte (von den Verbänden) durch weitere Fortbildungsmaßnahmen gefördert werden.

RSI-Konferenzen finden auch in Deutschland bereits statt. Auch wenn RSI in großem Stil hier in der allernächsten Zukunft noch nicht zu erwarten ist, ist es für alle aktiven DolmetscherInnen ein ernst zu nehmendes Thema. Eine enge (verbandsseitige) Zusammenarbeit mit den Technikanbietern ist ebenso unabdingbar.

Um Anforderungen an Arbeitsbedingungen, ethische/professionelle Standards und Interessen der KonferenzdolmetscherInnen auch im Rahmen von RSI zu wahren, müssen RSI-Anbieter früh in die Welt der DolmetscherInnen einbezogen werden. Werden RSI-Anbieter zu „Dolmetscher-Verstehern“, kann ggf. verhindert werden, dass sie ihre Plattformen mit nicht-qualifizierten Dolmetscherstimmen aus Niedriglohnländern „bestücken“.

Initiatoren, Fortbildungsbeauftragte, PR und alle “angefixten“ Teilnehmer bleiben am Ball und hoffen, dass das Interesse vieler Mitglieder für dieses, uns alle betreffende Thema geweckt wird.

Renate Kretz
PR-Referentin der AIIC-Region Deutschland