1 Team von 6 Profis für 3 Dolmetscharten und 3 Sprachen: Zusammenstellung und Koordination eines Teams von Dolmetschern für Gebärdensprache, Lautsprache und Schriftsprache aus einer Hand: Bericht einer Premiere, die Schule machen sollte
Die Konferenz des französischen Verbandes für die soziale und berufliche Inklusion von Behinderten L‘ADAPT am 13. November 2014 im Europaparlament war Schauplatz eines seltenen und daher erwähnenswerten Ereignisses: Zwei Dolmetscher für Gebärdensprache, zwei Dolmetscher für Lautsprache und zwei Dolmetscher für Schriftsprache arbeiteten in ein und demselben Team, das Aude-Valérie Monfort, Koordinatorin des Gebärdensprachnetzwerks der AIIC, zusammengestellt und koordiniert hatte. Auch wenn die Organisation aus einer Hand gerade angesichts ähnlicher Arbeit und Ziele sinnvoll erscheint, ist die gegenwärtige Praxis doch noch eine andere, denn es wird zwischen den Lautsprachdolmetschern (LSD) und den Gebärdensprachdolmetschern (GSD) ein deutlicher Unterschied gemacht. Bereits seit vielen Jahren setzt sich die AIIC für eine Annäherung der beiden Welten ein. Nun, da erste Gebärdensprachdolmetscher Mitglied im Verband werden, ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass es in der Praxis zu einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen ihnen und ihren Kollegen in den „Kabinen“ kommt. Es ist in unser aller Interesse, Gebärdensprachdolmetscher, von denen uns nur die Art der verwendeten Sprachen unterscheidet, als gleichberechtigte Kollegen anzusehen.
Vor dem Hintergrund einer stetig wachsenden Zahl gehörloser Teilnehmer an internationalen Veranstaltungen werden LSD und GSD immer häufiger bei denselben Sitzungen und Konferenzen aufeinandertreffen. Der Kontakt unter den Dolmetschern ist momentan noch eher sporadischer Natur und das Wissen um die Arbeit des anderen noch ausbaufähig.
„Wenn wir bei dieser Art von Veranstaltungen arbeiten, ist eine routinemäßige Vorstellung der einzelnen Dolmetscher nicht vorgesehen“, erläutert Oliver Pouliot, Dolmetscher für International Sign1 und Englisch. „Im Allgemeinen ist es so, dass wir die Initiative ergreifen und uns den LSD vorstellen bzw. uns beim Veranstalter melden. Es wäre wesentlich sinnvoller, immer ein Briefing einzuplanen, bei dem die Dolmetscher sich zumindest kennenlernen können.“
Sich miteinander bekannt machen, sich über Informationen aus der Vorbereitung oder Fragestellungen in letzter Minute austauschen – all das sensibilisiert jeden einzelnen Beteiligten für die Bedürfnisse des anderen und fördert den für eine gute Arbeit unerlässlichen Teamgeist. Ein kurzes Vorbereitungstreffen für alle Dolmetscher einer Konferenz ermöglicht beispielsweise eine einheitliche Verwendung von Begriffen durch die Teammitglieder oder gewährleistet, dass alle den gleichen Informationsstand über Programmänderungen haben oder auch eine in letzter Minute eingetroffene Präsentation noch bekommen. „Für uns war es sehr gut, sofort zu wissen, an wen wir uns wenden können. Neben dieser Anlaufstelle hat uns auch die gemeinsame Vorbereitung sehr geholfen“, so die Schriftdolmetscherinnen Céline Laurent und Lauriane Lecapitaine.
Sind wir alle einverstanden mit der Unterscheidung im Englischen zwischen „disabled“ und „handicapped“? Wie sieht es im Französischen mit „personnes handicapées“ bzw. „en situation de handicap“ aus? Oder im Deutschen mit „Behinderten“ bzw. „Menschen mit Behinderung“? Sollten wir den Namen der Person nennen, die in einer lebendigen Diskussion das Wort ergreift, damit die GSD genau nachvollziehen können, wer was gesagt hat? Diese und noch mehr Fragen wurden im Briefing erörtert.
Diese Erfahrung des kollegialen Miteinanders hat wohl auch einen positiven Einfluss auf die Arbeit der Dolmetscher in den Kabinen gehabt. Françoise Celis und Carine Puttevils, Dolmetscherinnen für Englisch und Französisch, erzählen, dass sie sich große Mühe gegeben haben, Wiederholungen, die einer Rede manchmal mehr Nachdruck verleihen sollen, zu vermeiden: Schließlich sollten die GSD oder Schriftdolmetscher nicht zweimal dasselbe gebärden oder tippen müssen. „Uns war immer bewusst, dass wir auch für unsere Kollegen dolmetschen. Daher waren wir zusätzlich motiviert, einen direkt vollumfänglich nutzbaren Wortfluss zu liefern“, so die Meinung der beiden.
Darüber hinaus ist es interessant, dass Schriftdolmetscher mit ähnlichen Schwierigkeiten wie Lautsprachdolmetscher zu kämpfen haben: Eine in Hochgeschwindigkeit abgelesene Aufzählung unbekannter Namen veranlasst die Schriftdolmetscher dazu, am Bildschirm ein Sternchen zu setzen, um zu zeigen, dass ein Name schlecht verstanden wurde. Genau wie GSD oder LSD, die in einer solchen Situation den Namen weglassen müssen. Ein Unterschied ist jedoch auffällig: Wo es bei LSD reicht, Vor- und Nachnamen phonetisch richtig wiederzugeben, müssen Schriftdolmetscher und GSD auf die richtige Schreibweise achten. Denn andernfalls wird der Fehler auf den Bildschirmen oder beim Buchstabieren im Fingeralphabet sichtbar. Dieses Alphabet wird in der Gebärdensprache für das Buchstabieren von bestimmten Eigennamen genutzt.
Neben den jeweiligen Besonderheiten haben die drei Dolmetsch-Tandems eine Gemeinsamkeit: Der gerade passive Kollege unterstützt den aktiven Kollegen, indem er einen Begriff flüstert, ihn groß auf ein Display oder einen Hinweiszettel schreibt. Drei Methoden: alle unterschiedlich, aber genauso effizient!
Dieser 13. November war eine gute Gelegenheit, um zu prüfen, ob sich die vom Gebärdensprachnetzwerk der AIIC entwickelten Leitlinien für Tontechniker in gemischten GSD-LSD-Teams in der Praxis bewähren (http://aiic.net/page/6700/guidelines-for-sound-engineers-when-sl-and-spoken-conference-interpreters-work-in-the-same-team/lang/1). In der Tat hatte sich der Techniker das im Vorfeld zur Verfügung gestellte Dokument angeschaut und die für die Arbeit der GSD benötigten Spezialgeräte bereits in den Tagungsraum gebracht. So waren die Verlängerungskabel der Kopfhörer in der Nähe des Podiums angeschlossen, damit die GSD im Stehen in der Nähe der Vortragenden arbeiten konnten. Natürlich muss in Sachen Aufklärung und Sensibilisierung noch einiges getan werden: „Ein Platz in der Nähe eines Bildschirms, auf dem der verschriftlichte Text in Englisch und eben nicht in Französisch erscheint, wäre für uns besser gewesen. Es ist für einen gehörlosen Teilnehmer einfach sinnvoller, die Verdolmetschung in internationaler Gebärdensprache und gleichzeitig den englischen Text mit den Augen zu verfolgen“, ergänzt Maya de Wit, Dolmetscherin für International Sign und Englisch.
Die Premiere der Teamzusammenstellung und -koordination aus einer Hand bei der Konferenz L‘ADAPT war nach Ansicht des Gebärdensprachnetzwerkes der AIIC längst überfällig und ein Thema, an dem man in Zukunft nicht vorbei kommen wird. Dieses Beispiel sollte Schule machen und in der Praxis permanent verbessert werden.
Dounya François
Koordination des Teams in Brüssel
Mitglied im Gebärdensprachnetzwerk der AIIC
[1] „International Sign“ entsprang dem Bedürfnis gehörloser Menschen, sich auf internationalen Treffen verständigen zu können. Es ist eine Mischung aus unterschiedlichen Gebärdensprachen jedoch keine richtige Sprache mit einheitlicher Grammatik, Syntax und Vokabular. Es ist ein Kommunikationsinstrument, welchem die Präzision und Vielfalt einer Sprache fehlt. Deshalb sollte mit den gehörlosen Kunden bei internationalen Veranstaltungen stets abgeklärt werden, ob sie eine Verdolmetschung in ihre Landesgebärdensprache oder in International Sign bevorzugen.
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