Gedanken an Dorothee Bringewatt

Im Sommer dieses Jahres ist unsere liebe Kollegin Dorothee Bringewatt nach kurzer und schwerer Krankheit verstorben.
Es war für diejenigen, die Dorothee kannten und mit ihr privat oder beruflich, vor allem in letzter Zeit, eine Wegstrecke zurückgelegt hatten, ein großer Schock.

Viele Kollegen hatten Dorothee lange nicht gesehen oder mit ihr zusammen gearbeitet. Das hatte einen Grund: Dorothee hatte sich ganz der Pflege ihres kranken Mannes gewidmet und beschlossen, ihre Dolmetschtätigkeit einzuschränken bzw. zuletzt sogar ganz einzustellen, um an der Seite ihres Mannes zu sein.

Natürlich mussten wir ihre Entscheidung respektieren. Aber wir haben Dorothee in dieser Zeit sehr vermisst, insbesondere bei einigen Aufträgen in größeren Dolmetschteams, bei denen sie in der Vergangenheit regelmäßig mit dabei war. Dorothee war dort ein Fels in der Brandung. Niemandem gelang es besser als ihr, in einen häufig hektisch-chaotischen Dolmetscher-Schwarm Ruhe zu bringen, der verlangten Arbeit Struktur zu verleihen, das gesamte Drumherum gelassen zu organisieren und dazu noch selbst hoch-professionell und mit ungeheurem Fachwissen zu dolmetschen.

In der Zeit, in der sie sich aus der mit viel Unterwegs-Sein verbundenen Dolmetschtätigkeit zurückgezogen hatte, war sie dennoch uns umtriebigen Dolmetscherkollegen eine unerlässliche Stütze, da sie schriftliche Übersetzungsarbeiten für uns und unsere Kunden erledigte. Und auch hier glänzte sie mit großer Kompetenz, unglaublicher Zuverlässigkeit und viel persönlichem Engagement.

Nun hatte sie nach dem Tod ihres Mannes im letzten Jahr gerade wieder zaghaft die ersten Schritte in die Dolmetscherwelt getan, sich immer mehr an ein neues Miteinander mit ihren Kollegen und Kolleginnen gewöhnt und erfreute uns Dolmetscher mit ihrem Dabei-Sein bei diversen Einsätzen. Auch das allmähliche Vortasten in regelmäßigere private Kontakte mit Kollegen und Freunden tat ihr sichtlich gut – und uns auch. Ihre persönlichen Umstände in den letzten Jahren hatten bei ihr zu viel Verzicht und Entsagen geführt, womöglich sogar soweit, dass sie nicht ausreichend Sorge für ihre eigene Gesundheit getragen hatte.

Wir alle haben Dorothee in den verschiedensten Facetten kennen, schätzen und lieben gelernt. Ihre ruhige, zurückhaltende, fast möchte man sagen „westfälische“ Art, ihr verschmitzter Humor, der unvermutet aufblitzen konnte, ihre intelligenten Gesprächsbeiträge, ihre Wissbegierde, ihr Interesse an aktuellen Themen, ihre Empathie auch für Kollegenbelange… Wir hatten nicht mehr die Zeit, all dies an und mit Dorothee zu genießen … und dieser Gedanke schmerzt.

Nun ist sie nicht mehr da. Wir vermissen Dorothee sehr. Einige unserer Kollegen haben, als sie die Nachricht erhielten, ihre Fassungslosigkeit zum Ausdruck gebracht: Einer schrieb, er könne es nicht glauben, es sei zu niederschmetternd; ein anderer hatte sich so sehr auf das Wiedersehen in einem gerade anstehenden gemeinsamen Dolmetschauftrag gefreut. Eine Kollegin beschreibt es treffend, in dem sie sagt: „es ist das Gefühl, dass ein riesiges Loch in die Zukunft gerissen wurde … ein lieber Mensch, der nicht mehr da ist“.

Eine liebe Kollegin, die sie zuletzt im Krankenhaus besucht hatte, erinnert sich, dass Dorothee, als sie sich von ihr verabschiedete, ein „optimistisches Lächeln im Gesicht“ hatte … und an dieser letzten Erinnerung hält sich die Kollegin gerne fest.

Ein schöner Gedanke für uns alle.

Renate Kretz