In Memoriam – Ralf Friese

Ralf Friese ist am 4. Januar gestorben.

 

Eine traurige Nachricht, denn mit seinem Tod endet eine ganze Ära des Dolmetschens und wir verlieren einen liebenswerten geradlinigen Menschen und Kollegen.

 

Ralf war länger als die meisten von uns als Dolmetscher aktiv. Er begann eigentlich als Übersetzer am Kernforschungszentrum Karlsruhe (heute Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Campus Nord), fasste jedoch aufgrund seiner profunden technischen Kenntnisse rasch Fuß auf dem Dolmetschermarkt. Es stellte sich schnell heraus, dass er universell einsetzbar war. Ganz gleich wo – Technik, Wirtschaft, Medizin, Philosophie – er beeindruckte nicht nur durch sein breites Wissen, sondern fast mehr noch durch die Art und Weise wie er es einsetzte: Nie hektisch, sondern intelligent, ruhig und wohlformuliert. Seine Übertragung englischsprachiger Redner im Fernsehen war einzigartig, aber er hätte aus tiefster Antipathie – wie er sagte – abgelehnt, dort Donald Trump zu dolmetschen.

Intensiv kümmerte er sich um den Nachwuchs, er unterrichtete an den Dolmetscherinstituten in Germersheim und Saarbrücken und unterstützte tatkräftig die Neulinge beim Start in den Beruf.

 

Unser Berufstand verdankt ihm viel, ganz besonders auch wegen seiner Bemühungen um die Normung von Dolmetschtechnik und Kabinen.

Er hat sich bereits um diese Belange gekümmert, als es durchaus noch üblich war mit sogenannten Tischkabinen zu arbeiten (für die jüngeren Kollegen: das war so eine Art Karton mit Fenster, den man auf einen Tisch stellte, in den man hineinkroch und mit meist recht unzulänglicher Technik seines Amtes waltete). Ohne Ralf wären die nationalen und internationalen Normen für Dolmetschtechnik, mobile und festeingebaute Dolmetscherkabinen sicherlich nicht so rasch definiert worden. Er hat sich für die Umsetzung dieser Regeln stark gemacht und dabei geholfen, sie gegen den Widerstand sehr selbstbewusster Architekten von Konferenzzentren durchzusetzen.

Auch im Privatleben bewies er seine Vielseitigkeit – er schraubte begeistert an seinen uralten DKW-Zweitaktern herum – ewig war er auf Suche nach Ersatzteilen; er war belesen, liebte klassische Musik (nur wenige Kollegen wissen, dass er viele Jahre lang Gesangstunden nahm). Wo immer möglich besuchte er auf seinen Reisen Opernabende und Konzerte.

Dabei hatte er auch großen Spaß an heiteren und hintersinnigen Autoren und Tonkünstlern wie Karl Kraus, Georg Kreisler, Helmut Qualtinger, Loriot und ihresgleichen…

Auf vielen Heimfahrten mit der Bahn wurden diese Künstler lauthals und mit viel Gelächter rezitiert, sehr zum Erstaunen anderer Mitreisender. Er hatte eben durchaus Sinn für das Skurrile, was sich im Übrigen auch in seiner Haltung gegenüber moderner Bürotechnik äußerte: Keine moderne elektrische, geschweige denn elektronische Schreibmaschine, er blieb seiner mechanischen Schreibmaschine, Modell Adler, Baujahr 1960 treu und es kam ihm nie ein Computer ins Haus.

Ralf wird uns fehlen. Wir sprechen seiner Familie unser tief empfundenes Beileid aus und gedenken seiner. Wir danken ihm für all das, was er uns geschenkt hat.

Heide Mößlang und Meike Steckhan

München im Januar 2021