Teil 2: Dolmetscher:innen als Partner im Sozialdialog – IAO

Text: "Dolmetscher als Partner im Sozialdialog" unter dem Logo der AIIC.

Dolmetschen bei der Internationalen Arbeitsorganisation

Am 11. April 1919 nahm die Internationale Arbeitsorganisation im Rahmen der Friedenskonferenz in Versailles als ständige Einrichtung des Völkerbundes ihre Arbeit auf. Ihr Ziel war dabei monumental: Sie nahm sich vor, für die Wahrung des Weltfriedens und für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. So beginnt auch ihre Verfassung mit den Worten: „Der Weltfriede kann auf Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden.“

Vertreter:innen von Regierungen, Arbeitgebern und Arbeitnehmer:innen aus den 187 Mitgliedstaaten der IAO sprechen über eine Vielzahl von Themen, darunter den Schutz von Arbeitnehmer:innen am Arbeitsplatz und die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Bei Gruppen-, Plenar- und Ausschusssitzungen wird eine Verdolmetschung in den sieben Arbeitssprachen der Organisation (Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch, Chinesisch, Deutsch und Russisch) angeboten.

Was können Redner:innen beachten, wenn sie mit Dolmetscher:innen arbeiten?

Die IAO führt auf ihrer Website zur Jahreskonferenz einige wichtige Hinweise zur Arbeit mit Dolmetscher:innen auf. Diese lassen sich auch auf andere Veranstaltungen übertragen, bei denen gedolmetscht wird.

Alle Vertreter:innen, die eine Rede im Plenum halten, werden gebeten, eine elektronische Kopie ihrer Rede 24 Stunden vor ihrem geplanten Redebeitrag zu senden.

Warum? Dolmetschen bezeichnet das Übertragen einer mündlichen Aussage in eine andere Sprache. Werden Reden vorgeschrieben und dann vorgelesen, ist ein genaues und adressatengerechtes Dolmetschen nur schwer möglich. Erhalten Dolmetscher:innen die Reden vorab, können sie diese detailliert vorbereiten.

Den Redner:innen wird zudem dringend geraten, langsam zu sprechen, insbesondere beim Verlesen von Erklärungen, damit die Dolmetscher:innen die Botschaft korrekt wiedergeben können.

Warum? Beim Dolmetschen laufen kognitiv sehr viel mehr Prozesse ab als beim reinen Sprechen. Der/die Dolmetscher:in rezipiert das Gesagte, verarbeitet es, überträgt es in eine andere Sprache, passt Grammatik und Terminologie dabei an eine andere Sprache und kulturelle Zielgruppe an und verbalisiert dann die Übersetzung, während er/sie bereits den nächsten Satz verarbeitet. Dieser hochkomplexe Vorgang braucht Zeit.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Verdolmetschung der Erleichterung der Kommunikation dient und keine authentische oder wörtliche Aufzeichnung der Verhandlungen darstellt.

Warum? Eine Verdolmetschung ist grundsätzlich nur zur unmittelbaren Anhörung bestimmt. Ein Redebeitrag und damit auch seine Übersetzung betten sich immer in einen zeitlichen und örtlichen Kontext ein. Dabei passen Dolmetscher:innen ihren Output auch an die jeweiligen Umstände (z. B. Kultur und Hintergrund ihrer Zuhörer:innen) an oder sind bei sehr dichten Vorträgen zu sinnvollen Kürzungen gezwungen. Eine Verdolmetschung kann also nie als wörtliches Protokoll einer Sitzung verstanden werden.

Fazit

Verständigung und Kommunikation sind für soziale Gerechtigkeit und Arbeitnehmer:innenrechte unabdingar und Dolmetscher:innen damit im sozialen Dialog unverzichtbar. 

Qualifizierte Simultan– und Konsekutivdolmetscher:innen finden Sie auf aiic.de!

 

Konferenzdolmetscherin bei AIIC Deutschland
Mit ihrer fundierten Expertise in Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch ist Nele Kirstein nicht nur eine professionelle Dolmetscherin, sondern auch Dozentin an der TH Köln. Ihr Hintergrund mit umfassender internationaler Erfahrung bereichert sowohl ihre praktische Arbeit als auch ihre Lehrtätigkeit.
Nele Kirstein